Mein Heimatverein, die Würzburger Kickers, ist in die 3. Fußball-Bundesliga abgestiegen. Und das nach einem Durchmarsch von der vierten 4. in die 2. Liga! Das Interessante: Plötzlich gab es zahlreiche Meldungen über die Kickers – ganz im Gegensatz zur Saison. Anders gesagt: Der Wert der Nachrichten stieg. – Inas Blog
In meinem Facebook-Feed verbreitete die Würzburger Lokalzeitung Mainpost nun Schlagzeilen wie: „der Abstieg kostet vier Millionen Euro“, „Vorstandsvorsitzender Sauer kritisiert Spieler“, „wenige Spieler haben einen Vertrag für die dritte Liga“.
Wertvoll: Fette Schlagzeilen dank Abstieg
Soll das heißen: Erfolg = keine Nachrichten; Misserfolg = fette Schlagzeilen? Nun, zunächst einmal gibt es jetzt, nach dem Abstieg, natürlich viel neues Informationsmaterial, es gilt Fragen zu beantworten und die Niederlage zu analysieren. Damit besitzen Nachrichten über die Kickers einen höheren Nachrichtenwert. Der Abstieg ist (in diesem Fall) also wertvoller als der Erfolg.
Warum ist das so?
Überraschende News sind gute News
Da hilft der Blick auf die sogenannten „Nachrichtenfaktoren“. Zu den Nachrichtenfaktoren zählen: der Überraschungseffekt, die Aktualität, die Regionalität, die Betroffenheit einer Elite, die Betroffenheit von Stars und natürlich der Negativismus.
Je mehr Nachrichtenfaktoren ein Ereignis bietet, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachricht die Leser emotional berührt – und desto relevanter und wertvoller ist damit die Nachricht. Der Nachrichtenwert steigt, die Wahrscheinlichkeit einer Veröffentlichung ebenso.
In unserem Kickers-Beispiel sieht das so aus: Neben dem Überraschungseffekt schlägt hier vor allem der Negativismus (Misserfolg!) zu buche. Ein schwerwiegender Faktor, denn er kann Mitgefühl auslösen, Schadenfreude oder sogar Wut. Hinzu kommen die Faktoren Betroffenheit einer Elite/von Stars – wenn man die Fußballer so nennen mag – und der Regionalbezug (Heimatvereine lösen bekanntermaßen heftige Verbundenheitsgefühle aus) sowie natürlich die Aktualität.
Emotional = viral
Wenn man Nachrichten im Internet verbreiten möchte, gilt darüber hinaus: Eine News ist dann am wertvollsten, wenn sie Viralität schafft, also Leser so sehr berührt, dass diese sie selbstständig und unaufgefordert weiterverbreiten, teilen, liken, kommentieren usw.
Auch hier bieten die Nachrichtenfaktoren eine Art Richtschnur: Bei dem Informationsüberfluss, der sich im Internet, bei Presseagenturen und in der Unternehmenskommunikation ansammelt, brauchen Redaktionen einfach ein System zum Ausfiltern.
Promis über alles?
Es kann übrigens auch vorkommen, dass ein Event nur einen einzigen Nachrichtenfaktor bietet, dieser aber alles andere überstrahlt. Zum Beispiel wenn es um einen Star, einen VIP, einen Promi geht. Das lässt sich auch für eigene Zwecke nutzen …
So luden die Würzburger Kickers vor Beginn der 2. Bundesliga-Saison Journalisten zu einer Pressekonferenz ein, bei der eine „gravierende Entscheidung“ im personellen Bereich mitgeteilt werden sollte. Ein neuer Trainer? Ein neuer Fußballstar für Würzburg? Gerüchte gingen um, dramatische News von hochemotionalem Wert wurden erwartet. Die Plätze der Pressekonferenz waren restlos ausgebucht.
Doch der Clou blieb aus.
Am Ende wurde lediglich die wenig überraschende Vertragsverlängerung des bisherigen Trainers Bernd Hollerbach bekanntgegeben. Mit Brisanz locken, aber keine News bieten?
PR-Aktionen mit Vorsicht genießen
Das kann gutgehen, muss aber nicht. In diesem Fall war zumindest die PR-Aktion geglückt – eine Kooperation eines Möbelhauses mit dem Verein … denn die Pressekonferenz wurde in dem Möbelhaus mit den übergroßen roten Stühlen abgehalten. Witzig für die Journalisten, aber wenig relevant für die Leser. Man kann das System der Nachrichtenfaktoren auch für eigene Zwecke (aus)nutzen.
Doch PR-Aktionen hin oder her: Letztlich müssen die PR-Agenten der Würzburger Kickers ebenso wie die Journalisten auf die Nachrichtenfaktoren achten. Denn ohne sie stehen die Chancen einer Veröffentlichung nicht gut.
Und die Chancen, dass die Nachricht die Leser bewegt, gleich null.
Zur Autorin:
Ina Mangold studiert Public Relations an der Hochschule der Medien in Stuttgart. Für den blue satellite Blog berichtet sie regelmäßig über aktuelle Forschungsergebnisse in Kommunikation, PR und Journalismus.