In der Süddeutschen Zeitung beschreibt Bettina Wündrich die bedrückende Wirklichkeit in vielen Redaktionen: Unter dem herrschenden Erfolgs- und Kostendruck blieben nahezu jede Kreativität und jede unkonventionelle Idee auf der Strecke, so die ehemalige stellvertretende Elle-Chefredakteurin.
Die Zeitschriften-Macherinnen hätten ständig eine Liste von Dos und Don’ts im Kopf: Auf dem Titel bitte nur blonde Models und um Himmels willen keine Problemthemen, sondern lieber Tipps und Tricks. Wer sich traut, diese Grundsätze infrage zu stellen, riskiert mindestens die Kritik der Verlagsleitung, wenn nicht sogar den Verlust von Anzeigenkunden. Die dramatischen Folgen sind mehr oder weniger gleichgeschaltete Magazinformate, die sich immer mehr von der Lebensrealität ihrer Zielgruppen entfernen und anstelle von authentischem Lebensgefühl eine konstruierte Wirklichkeit vermitteln.
Was das Ganze mit uns zu tun hat? Auch in der PR gibt es etliche unhinterfragte Glaubenssätze und Gewohnheiten. Beispiel Textproduktion: Statt die Dinge beim Namen zu nennen und auch Zwischentöne zuzulassen, findet sich in Pressetexten, Broschüren und auf Websites noch immer viel zu viel PR-Sprech. Da sind Produkte immer einzigartig, neue Ideen gleich ultimative Quantensprünge und Strategien stets auf ganzer Linie erfolgreich.
Was einen guten Text wirklich ausmacht, ist aber nicht nur der sichere Stil, sondern zuallererst seine Wahrhaftigkeit und Genauigkeit. Kein Plan geht hundertprozentig auf, keine Strategie ist in der Umsetzung perfekt, überall sind Fehler im System. Hier ehrlich zu sein, ist mehr wert als die hundertste Beteuerung des Erreichten. Und das gilt nicht erst, seit die User sozialer Medien eindimensionale und schön gefärbte PR-Botschaften mit Missachtung oder gleich Shitstorms strafen.
Aus unserer Erfahrung steckt hinter dieser Praxis meist nicht einmal böse Absicht, sondern eher Nachlässigkeit oder besser Achtlosigkeit. So schleichen sich im Laufe von Produktions- und Abstimmungsprozessen scheinbar wie von selbst immer mehr Nullwörter und -aussagen ein, am Ende ist jeder froh, einen frei gegebenen Text in Händen zu halten – und sei es auf Kosten der Qualität. Es braucht viel Mut, Fingerspitzengefühl und Durchhaltevermögen, um an den entscheidenden Punkten zu intervenieren und nicht den Weg des geringsten Widerstands zu gehen.
Vielleicht ist das ein guter Vorsatz für 2013. Bettina Wündrich jedenfalls will nicht aufgeben und arbeitet heute als Zeitschriften-Entwicklerin an neuen kreativen Projekten.