Es taucht in jedem PR- und Wirtschaftsmagazin auf, Werbekampagnen orientieren sich daran und (angeblich) alle Medienmacher nutzen es – Storytelling.
Mögen sich die Kritiker unter euch aufgrund der Überschrift erhofft haben, dieser Artikel sei ein Verriss über die Kommunikationsmethode, muss ich euch enttäuschen. Auch wir bei blue satellite sind Fan des Stilmittels und nutzen es seit jeher. Doch dass Storytelling allein nicht das Patentrezept für eine erfolgreiche Marketingkampagne ist, habe ich in meiner Bachelorarbeit herausgefunden.
Ich habe Medien- und Kommunikationsmanagement an der europäischen Medien- und Businessakademie in Düsseldorf studiert. Letztes Jahr habe ich meinen Bachelor of Arts mit meiner Bachelorarbeit zum Thema „Customer Experience als Differenzierungsstrategie – Eine Analyse der Ansprachestrategien und der Wirksamkeit im Rahmen der Customer Journey am Beispiel der McDonald’s Storytelling-Kampagne “Dad” abgeschlossen. Dafür habe ich eine Konsumentenstudie durchgeführt, an deren Ergebnisse ich euch teilhaben lassen möchte.
Das Gehirn liebt Geschichten
Unter dem Begriff „Storytelling“ können sich wohl alle, die sich mit PR, Marketing oder Kommunikation beschäftigen etwas vorstellen. Die Sprachwissenschaftlerin Dr. Annika Schach definiert ihn wie folgt: Storytelling ist eine Methode, die systematisch geplant und langfristig angelegt Fakten über ein Unternehmen in Form von authentischen, emotionalen Geschichten vermittelt, die bei den wichtigen internen und externen Bezugsgruppen nachhaltig in positiver Erinnerung bleiben.
Für das nachhaltige Erinnerungsvermögen ist das episodische Gedächtnis verantwortlich. Ein eigenes neuronales Netzwerk im Gehirn, welches sich allein um die Verarbeitung und Speicherung von Geschichten kümmert. Uri Hasson, Professor am Institut für Psychologie und Neurowissenschaften an der Princeton University, stellte die These der „brain-to-brain coupling“ auf. Dabei konnte er in einer Reihe von Experimenten nachweisen, dass sich dieselben Gehirnareale von Erzähler und Zuhörer synchronisierten. Daraus leitete er die Erkenntnis ab, dass Geschichten verschiedene Areale im Gehirn vom Sprachzentrum bis zum Bereich für Empathie aktivieren können und Hormonausschüttungen auslösen. Auf diese Weise können die Zuhörenden das Geschilderte miterleben und mittels Synchronisation genau wie eigene Erfahrungen und Erlebnisse verarbeiten.
Die kognitive Psychologie unterscheidet zwischen drei verschiedenen Funktionen von Storys. Zunächst den Erfahrungsabgleich, bei dem Handlung und handelnde Personen mit eigenen Erlebnissen abgeglichen werden und die Erkenntnisse mitunter zu alternativen Handlungsoptionen führen. Im Unterschied dazu das Stellvertreterlernen. Der Protagonist der Geschichte durchlebt Situationen, die für den Rezipienten neu sind. Durch Simulation wird der Umgang mit dieser Situation erlernt. Schließlich gibt es das Phänomen der Kontextualisierung, bei der ein Rezipient eine Geschichte nach Erklärungsmustern durchsucht, die ihn unterstützen, eigene Handlungen und Erlebnisse besser zu verstehen.
Der Faktor Emotion sollte für eine gelungene Geschichte nicht unterschätzt werden. Mithilfe von Emotionen werden Botschaften nachhaltig im Gedächtnis des Konsumenten verankert. Von den 30 bis 100 Millionen Bits an Informationen, die pro Sekunde über die Sinne aufgenommen werden, können nur 100 Bits pro Sekunde wahrgenommen und verarbeitet werden. Durch Lesen werden lediglich zehn Prozent der Information aufgenommen, durch Hören 20 Prozent, durch Sehen 30 Prozent. Durch die Kombination von Sehen und Hören erhöht sich die Aufnahmefähigkeit schon auf 50 Prozent. Am besten bleiben Informationen haften, wenn alle Sinne beteiligt sind. Der Neurobiologe Gerald Hüther führt dazu aus, dass eine Information in Reinform nur begrenzt anknüpfbar ist. Wird diese als Geschichte dargeboten, werden viele Anknüpfungspunkte an bereits vorhandene Gedächtnisinhalte geschaffen. Das „Tun“ muss dann keine reale Tat sein, sondern kann auch durch eine Erzählung als Handlung wahrgenommen werden.
Erfolgsfaktoren einer guten Story
Jonathan Gottschall, Dozent am Jefferson College, hat die Erfolgsfaktoren von Storytelling auf eine Formel gebracht: Story = Hauptfigur + Dilemma + Befreiungsversuch.
In meiner Literaturrecherche habe ich herausgefunden, dass eine gute Geschichte eine starke Botschaft beinhaltet, die sich durch ein klares Ziel, eine Konfliktlösung und die damit verbundenen Emotionen ausdrückt. Wesentlich sind darüber hinaus starke Charaktere, wobei sich das Adjektiv „stark“ auf die Intensivität der Erlebnisse, Erfahrungen und Gefühle der Protagonisten beziehen. Ferner ist eine spannende Dramaturgie unabdingbar. Auch der Ort der Handlung ist von Bedeutung für den Erfolg, damit sich der Rezipient eine Vorstellung von der Umgebung und der Atmosphäre machen kann.
Darüber hinaus können noch fünf weitere Kriterien angeführt werden, die eine erfolgreiche Umsetzung von Storytelling bedingen. Eine Geschichte muss simpel sein, demnach leicht zu erfassen und nachzuerzählen. Zudem muss die Erzählung unerwartet sein, der Ausgang ist nicht vorhersehbar. Es gilt, einen Erzählstrang konkret aufzubereiten. Insbesondere die Hauptfigur muss detailreich beschrieben werden, um genug Identifikationsfläche zu bieten. Die Glaubwürdigkeit ist ebenso ein zentraler Faktor für den Erfolg einer Story. Das bedeutet nicht, dass die Geschichte der Wahrheit entsprechen muss. Jedoch sollte der Verlauf stringent sein und das Auftreten der Charaktere authentisch. Ein gutes Storytelling-Format ruft Emotionen hervor und löst Empathie aus. Nach Abschluss der Geschichte dürfen keine Fragen offenbleiben.
Umfrageergebnis? Storytelling verstanden!
Ich wollte herausfinden, ob es für eine erfolgreiche Umsetzung von Storytelling reicht, die oben genannten Erfolgsfaktoren zu berücksichtigen oder welche Aspekte für Konsumenten darüber hinaus eine Rolle spielen. Als Gegenstand meiner Untersuchung habe ich mich für die McDonald´s-Kampagne „Dad“ entschieden. Sie ist klassisch nach dem Storytelling-Prinzip aufgebaut und erfüllt auch sonst weitgehend die zuvor genannten Erfolgskriterien.
Gestartet wurde die Kampagne im Jahr 2017 am 12. Mai in Großbritannien. Das Kampagnenvideo wurde im englischsprachigen Fernsehen, in nationalen Kinos sowie auf den Online-Kanälen Facebook und YouTube publiziert (Link zum Video). Nach zunehmender Kritik, insbesondere aus der Online-Community wurde sie vorzeitig am 17. Mai eingestellt. Die Darstellung von Trauerbewältigung und die Gemeinsamkeiten zwischen Vater und Sohn reduziert auf einen Fast-Food-Burger, waren die Hauptkritikpunkte. Die Marke McDonald’s veröffentlichte ein Statement, in der sie das Kampagnenende ankündigte und sich bei ihren Kunden entschuldigte, sie enttäuscht zu haben und dass es keine Absicht gewesen sei, jemanden zu verärgern.
Meine Studie ist als standardisierte Online-Befragung mittels eines schriftlichen Fragebogens konzipiert. Bei der Auswahl der Stichprobe habe ich mich sich an der Konsumentenstruktur der Marke McDonald’s orientiert. Es handelt sich dabei um eine Teilerhebung, die angelehnt an die Quoten der Alterssegmente der McDonald’s-Kunden im Jahr 2018 in drei Altersgruppen von 14 bis 50+ eingeteilt wird. Befragt wurden insgesamt 104 Personen.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Grundelemente von Storytelling von einer deutlich überwiegenden Mehrheit erkannt wurden. So konnten die Teilnehmenden den Hauptcharakter, das Dilemma und sein Ziel bestimmen.
Was ist das Ziel des Jungen?
Auch rief das Video bei den meisten Konsumenten Sympathie und Empathie hervor.
Können Sie nachvollziehen, warum der Junge den Wunsch hat, herauszufinden, welche Gemeinsamkeit ihm mit seinem verstorbenen Vater verbindet?
Und wie hat das Video in der Gesamtwertung der Studienteilnehmenden abgeschnitten? Gemischt. So zeigt sich in den Ergebnissen zur Unterhaltungsfähigkeit der Geschichte, dass 42,3 Prozent diese eher als niedrig einstufen. Hingegen 30,8 Prozent und 18,3 Prozent den Entertainmentfaktor höher ansiedeln. Auch die Grundideen, auf der die Story-Konzeption basiert, finden Anklang bei den Befragten. Die Aussage „Essen verbindet Menschen“ werten 97,1 Prozent als absolut zutreffend bis teilweise zutreffend. Auch der Aussage „Teilen zwei Menschen eine Vorliebe für ein bestimmtes Gericht, fühlen sich diese Menschen einander näher“, stimmten 91,3 Prozent der Teilnehmenden von teilweise bis voll und ganz zu.
Der Erfolg bleibt aus
Die Konsumenten haben die Story verstanden, sie rief bei ihnen Emotionen hervor und sie fanden das Erzählte im Durchschnitt zumindest mittelmäßig unterhaltsam und auch der Grundidee stimmte eine Mehrheit zu. Ein voller Erfolg für das Storytelling-Format also? Nicht ganz. Die Geschichte in Bezug zur Marke McDonald´s gesetzt, ruft bei den Studienteilnehmenden kritische Reaktionen hervor. Die Mehrheit von 51 Prozent verneint, dass das Video zu McDonald’s passt. 33 Personen und damit ein Anteil von 31,7 Prozent äußerten ihren Unmut.
Finden Sie, das Video passt zu der Marke McDonald’s?
Ein mehrmals erwähnter Kritikpunkt ist die Emotionalität der Geschichte in Verbindung mit dem Auftreten des Unternehmens als „Fast-Food-Restaurant“. So drückt einer der Teilnehmenden aus: „Ein emotionales Werbevideo ist für mich also widersprüchlich zur sonstigen Unternehmensphilosophie“. Der am häufigsten angeführte Kritikpunkt ist, dass die Gemeinsamkeiten zwischen Vater und Sohn nicht auf einen Burger reduziert werden sollten: „Es werden Charakterzüge und Tugenden mit einem Lieblingsburger gleichgesetzt“. Zudem führen vermehrt Befragte an, dass sie den Zusammenhang zwischen Geschichte und der Marke McDonald’s nicht nachvollziehen konnten: „Gezwungene Emotionalität, keine Verbindung zur Dienstleistung der Marke, keine Informationen zu McDonalds oder ihrem Essen“.
Gefragt nach ihrer Haltung gegenüber dem Unternehmen McDonald’s, teilen sich die Lager recht gleichmäßig auf. Bei der Aussage „Ich verbinde mit McDonald’s positive Erinnerungen“, tendierten 37,5 Prozent zu einer Zustimmung, 24 Prozent zu einer teilweisen Zustimmung bzw. Ablehnung und 36,5 Prozent zu einer Ablehnung. Ähnlich nah beieinander bewegen sich die Ergebnisse zur Aussage „McDonald’s ist seit jeher ein familienfreundliches Unternehmen“. 35,5 Prozent stimmten überwiegend zu, 25,9 Prozent teilweise, 33,6 Prozent positionierten sich negativ.
Der entscheidende Erfolgsfaktor für Storytelling
Welches Fazit lässt sich daraus ziehen? Storytelling ist kein Allheilmittel. Selbst wenn die Methode richtig umgesetzt, die Kriterien beachtet wurden und auch die Grundidee und die Geschichte als solches stimmig sind, ist es kein Patentrezept für Erfolg. Denn ein Format lässt sich nicht isoliert von der Marke dahinter betrachten. Markenimage, Unternehmensphilosophie und Storytelling müssen immer Hand in Hand gehen. Ein Unternehmen muss nicht in jeder Marketingkampagne Rücksicht auf seine Kritiker / Hater nehmen. Jedoch gilt abzuwägen, inwieweit die Botschaft der Story meine Kritiker triggert. Ruft es bei ihnen nur ein verächtliches Schnauben hervor oder bringt es sie dazu, hunderte negative Kommentare zu posten und meiner Kampagne ein vorzeitiges Ende zu bereiten.
Fazit: Entscheidend für das Storytelling ist ein konsistentes Zusammenwirken von Storytelling und markenkonformer Botschaft.